Andi Kögler ist gerade 33 Jahre alt geworden. Er kommt aus München und ist seit fast zwanzig Jahren Skateboarder und jemand, der schon ziemlich viel mitgemacht hat. In den neunziger Jahren hatte er bereits mehrmals Coverage in der Limited, und was dann passierte, ist für den Otto Normal-Jungerwachsenen ziemlich weit weg. Aus Neugier und jugendlichem Leichtsinn ist er auf eine Bahn geraten, die von Drogen, einem Gefängnisaufenthalt und mehreren Therapien geprägt war. Heute spricht er ganz offen über seine Erlebnisse, und wir haben gespannt zugehört. Man darf nicht sagen, dass es jeden treffen kann, der gerne Party machen geht und dabei auch ab und an übertreibt. Doch es kommt vor, und Leuten ist so etwas schon passiert – genau wie Andi. Und der sagt: „Es geht schneller, als du denkst.“

By Benni Markstein

„Als ich 18 war, begann die Feierei, und ich habe sehr viel Zeit in Clubs und auf Open Airs verbracht, habe dazu selber Musik produziert und aufgelegt – Goa und Psychedelic. In dieser Zeit habe ich an Drogen so ziemlich alles mitgenommen, ohne Ende, rauf und runter. Es ging los mit Kiffen, dann kamen Koks und Trips, einfach alles durch, und zum Schluss habe ich Heroin geschnupft und geraucht. Ich habe nie gespritzt, aber eigentlich alles genommen, was es gibt, die ganze Pharmaindustrie durch, alles, was irgendwie kickt und Spaß macht. Ich habe zehn Jahre in der Szene aufgelegt, war auch oft in Berlin oben auf der Antaris und den ganzen Festivals. Ich war mal in Portugal mit 20.000 Menschen, alle total drauf auf Drogen, das ist echt eine Katastrophe. Da tanzt der Teufel mit, kann ich nur sagen.“

Andi hat seine Neugier für Opiate stets damit begründet, dass er unter einer genetischen Disposition leidet, da seine Eltern ebenfalls mit Heroin hantiert haben – das haben sie ihm später gesagt. Zu diesem Zeitpunkt haben er und seine Kumpels Gras und Haschisch in großem Stil von Holland nach Bayern geschmuggelt. „Ich wurde mit sieben Kilo Hasch und Gras erwischt. Ich bin aus Venlo gekommen, und dann haben sie mich in Düsseldorf gekrallt. Und es war eigentlich nicht mal mein Zeug, sondern das von meinem Kumpel. Wir haben das sechs Jahre lang gemacht, sind immer mit dem Zug gefahren und es ist nie was schiefgelaufen, und dann sind alle hochgenommen worden. Vier Leute mussten ins Gefängnis, und ich hatte als einziger Glück, da ich nur für vier Monate zur Schocktherapie im Jugendknast gelandet bin. Als es um die richtigen Strafen ging, bin ich zum Glück auf Bewährung rausgekommen. Meine Kumpels haben drei bis vier Jahre eingesessen. Zu Hochzeiten haben wir sogar 12 Kilo geholt. Schon mit 18 bin ich voll in mafiöse Geschichten geraten, man ist so schnell drin, das glaubt man kaum. Die Richter haben zum Glück erkannt, dass es jugendlicher Leichtsinn gewesen ist.“


FS Shovit Nosegrind

Jeder hat sicherlich seinen eigenen Willen, und jeder baut in jungen Jahren mal Mist. Ebenso macht jeder seine Erfahrung mit Alkohol, probiert mal an der Zigarette oder zieht irgendwann mal an einem Joint. Trotzdem versteht man kaum, wie jemand das Gap von den weichen, vermeintlich harmlosen, zu den harten Drogen nehmen kann. „Bei mir hat’s angefangen, nachdem ich zum ersten Mal Opium probiert habe, und da war es dann eigentlich schon zu spät. Ich kenne Leute, die es einfach nur mal ausprobieren wollten, um zu wissen, wie es so ist. Ich habe denen sofort gesagt, „Hey, lass’ es und fasse es gar nicht erst an!“ Denn meistens ist das eine Mal schon zu viel. Bei mir war es nach dem ersten Mal so, dass ich dachte: „Was, das soll so sehr süchtig machen? Das soll die Oberliga sein?“ Und wenn du so denkst, fängt die Sucht eigentlich schon an. Dann habe ich es ein zweites Mal probiert, weil ich dachte, es ist ja gar nicht so schlimm. Und dann war ich eigentlich schon drauf.“

Was folgte, waren beinahe zehn Jahre Drogenkonsum mit ständigen Hochs und Tiefs. Mehr als 50 Therapien und Entzüge ließen Andi irgendwann akzeptieren, dass eine Sucht auch eine Krankheit ist, die man nicht heilen kann. Er hatte cleane Zeiten, doch dann wiederum Rückfälle. Es ist für ihn eine Besessenheit gewesen, und er konnte nicht aufhören, weil er nicht wusste, ob er nicht will oder ob er sich nicht traut. Im Entzug kamen in ihm Gedanken auf, in denen er sich selbst nicht mehr erkennen konnte. Er litt unter schweren Depressionen und Krämpfen und empfand alles als sinnlos. Selbst das konnte ihn nicht davon abbringen, die Finger von dem Teufelszeug zu lassen. „Irgendwie ist es so, dass der Törn nicht mehr der gewesen ist, der er mal war. Man sucht immer nach diesem, was man hatte, nach diesen coolen Zeiten. Man wird sie aber nie wiederfinden und das will man nicht wahrhaben.“ Es ist ein Gefühl, das man als Nicht-Süchtiger nicht kennt und sich dann mit dem Finger an der Stirn fragt, warum er nicht einfach aufhört, das Zeug zu nehmen.


Kickflip

Doch er hat es geschafft sich zu lösen und dem Sumpf zu entkommen. Die Leute und das Drumherum begannen ihn zu langweilen, und so hat er seinen alten Freundeskreis eingedämmt und Türen zu potenziellen Zugängen abgeschlossen, das war immens wichtig. Sein Skateboard war dabei ein wichtiges Tool, um ihn wieder auf den richtigen Pfad zu bringen. „2007 habe ich nach sechs Jahren Pause dann wieder mit Skaten angefangen, seitdem ging es eigentlich nur bergauf. Daraus zu kommen, das ist ein gutes Stück Arbeit. Ich habe irgendwann gemerkt, es bringt nichts mehr, und Skaten ist ein reines, wirklich wahres Glück. Man arbeitet für etwas, z.B. einen Trick und bekommt dadurch auch seine Endorphine. Ich bin gelernter Pfleger und kenne mich mit dem menschlichen Körper aus, ich hole mir den Kick nun auf natürliche Weise. Mittlerweile bin ich clean. Aber es bleibt schwierig, man hat Phasen, in denen es gefährlich ist. Skaten bewahrt mich absolut davor, es ist für mich die größte Freiheit. Einfach rumfahren und filmen gehen oder Fotos machen, das ist einfach unglaublich. Ich bin so glücklich, dass ich wieder angefangen habe und gebe immer noch Vollgas. Ich habe voll Bock auf Stufen und Rails, das geht alles noch.“

Andi hat sein Leben wieder in den Griff bekommen. Vier Jahre lang hat er im Patienten Fahrdienst gearbeitet und aktuell fährt er japanische Kinder zur Schule und holt diese auch wieder ab. Er hat „eigentlich voll das schöne Leben“, wie er sagt, mit cooler Wohnung und einer Freundin, die ihn auch in den schwersten Zeiten voll und ganz unterstützt hat. Dafür ist er ihr sehr dankbar, denn das alles ist ihm sehr viel Wert. Er lacht oft zwischen seinen Sätzen und ist am Telefon hörbar zufrieden, wie alles gerade läuft. Auch wenn er ziemlich harte Zeiten durchlebt hat, bleibt nicht unbemerkt, dass auch irgendwie ein gewisser Grad Begeisterung in seinen Erzählungen mitschwingt. Das liegt wohl einfach an seinem positiven Gemüt und seiner netten Art.

„Ich muss ehrlich sagen, so schlimm und krass es auch ist, ich möchte keine Zeit missen, sogar den Knast nicht. Das alles hat mich heute zu so einem anderen und anders denkenden Menschen gemacht, und mein Charakter hat sich so gut entwickelt durch die ganzen Scheißerlebnisse. Ich war früher auch echt ein Arschloch irgendwie, hab Schlägereien gehabt und jetzt bin ich eben Pfleger geworden. Wie die Dinge sich ändern. Ich weiß auch nicht… manchmal braucht der Mensch vielleicht die Hölle, damit er den Himmel sehen kann. Ich bin froh, dass ich das geschafft habe, es war ein harter Weg. Man ist ja nie geheilt, man kann zwar Genesung finden, aber man muss immer aufpassen. Das ist das Schwierige. Die Botschaft heißt: Nichts nehmen. Nichts anfassen. Jeder macht bestimmt seine Erfahrungen aber es ist besser, es überhaupt nicht auszuprobieren, denn dann hast du es nicht in deinem Kopf. Dieses eine Mal kann auch ganz schnell ‘immer’ bedeuten. Es schleicht sich ein, und dann wird es immer schwerer, nein zu sagen. Es ist eine gefährliche Sache, man spielt mit seinem Leben.“

Pics: Leo Preisinger